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Kriminelle Praxis

Betrug mit Scheinvaterschaften: Mit "Ankerkindern" zum Bleiberecht in Deutschland

  • Veröffentlicht: 22.02.2024
  • 15:06 Uhr
  • Christina Strobl
Mit Scheinvaterschaften wollen sich die einen finanziell bereichern, die anderen wollen sich so ein legitimes Aufenthaltsrecht in Deutschland sichern.
Mit Scheinvaterschaften wollen sich die einen finanziell bereichern, die anderen wollen sich so ein legitimes Aufenthaltsrecht in Deutschland sichern.© Marco Rauch/dpa

Mit Scheinvaterschaften wollen sich Ausländer:innen ein Bleiberecht in Deutschland verschaffen. Behörden haben nun eine Berliner Bande vietnamesischstämmiger Personen im Auge, die dem kriminellen Geschäft mit sogenannten "Ankerkindern" nachgehen soll.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Laut Recherchen von ARD-"Kontraste" und "rbb24" sollen sich Tausende ausreisepflichtige Ausländer:innen durch Scheinvaterschaften ein Aufenthaltsrecht in Deutschland sichern.

  • Die jährliche Belastung des Steuerzahler:innen soll sich auf über 150 Millionen Euro belaufen.

  • Begünstigt wird dies durch eine Lücke im Gesetz, welche das Bundesjustizministerium zu schließen plant.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen versuchen, sich durch illegale Methoden ein Bleiberecht in Deutschland zu sichern. Dabei machen sie auch vor dem Geschäft mit Kindern nicht Halt.

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Mann soll 24 Kinder anerkannt haben

Recherchen von ARD-"Kontraste" und "rbb24" zufolge liegen mehrere Fälle vor, in denen "Väter" eine Vielzahl von Kindern verschiedener, ursprünglich ausreisepflichtiger Frauen anerkannt haben.

In einem der Fälle soll es um einen Mann gehen, der 24 Kinder anerkannt haben soll. Da er angebe, mittellos zu sein, komme der Staat für die Kinder auf. Den beurkundeten Stellen ist der Missbrauch dem Bericht nach nicht aufgefallen.

In Deutschland können Standesämter, Jugendämter und Konsularbeamte in Botschaften Vaterschaftsanerkennungen beurkunden. Wie viele Kinder jemand bereits anerkannt hat, können die Ämter vor einer Vaterschaftsanerkennung nicht einsehen. Das können nur Ausländerbehörden. Ein zentrales Personenstandsregister gibt es aus Datenschutzgründen bisher nicht in Deutschland.

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Gesetzeslücke macht es den Kriminellen leicht

Eine Gesetzeslücke begünstigt zudem Scheinvaterschaften: Wie die "Tagesschau" berichtet, ist es in Deutschland unerheblich, ob ein Mann der leibliche oder der soziale Vater eines Kindes ist, um es anerkennen zu können. Ist das Kind erstmal von einem deutschen Vater anerkannt, ist daran nichts mehr zu ändern. Das Kind ist somit deutscher Staatsbürger, seine Mutter erlangt ein legales Aufenthaltsrecht, und das Gesetz ermöglicht den Familiennachzug aus dem Herkunftsland.

Bei den Behörden werden solche Kinder "Ankerkinder" genannt. Leute vom Fach gehen von Zehntausenden Fällen in den vergangenen Jahren aus. Jedoch sei die Datenlage spärlich, was eine Bestrafung fast unmöglich mache.

Kriminelle stammen vor allem aus dem Westbalkan, Westafrika und Vietnam

Der Berliner Standesbeamte Heinz Zimmermann klärt als Fachreferent des "Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamten" (BDS) Kolleg:innen darüber auf, wie sie erkennen können, ob ein Vater, der ein Kind anerkennen will, das tut, um ernsthaft die Vaterrolle auszuüben. Oder ob es nur um das Erlangen legaler Aufenthaltstitel geht. Die Fälle, in denen Zimmermann und seine Berliner Kolleg:inen der Ausländerbehörde Missbrauchsverdacht melden und die Vaterschaftsanerkennung aussetzen, kommen den Angaben zufolge vor allem aus Ländern des Westbalkan, aus Westafrika oder aus Vietnam

Jedoch lasse sich die Vermutung, dass für solche Scheinvaterschaften Geld bezahlt wird, kaum belegen. Den Behörden gelinge es nur selten, ein kriminelles Geschäftsmodell aufzudecken.

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Kriminelle kassieren bis zu 35.000 Euro pro Anerkennung

Aktuell erhebt die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage "wegen Einschleusungen mittels Schein-Ehen und Vaterschaftsanerkennungen" gegen eine zehnköpfige Bande vietnamesisch-stämmiger Personen. Angeblich soll die Bande Vaterschaftsanerkennungen für mindestens 20 Kinder für Mütter aus Vietnam vermittelt haben, um diesen einen Aufenthaltstitel in Deutschland zu verschaffen.

Laut der ARD-"Kontraste"- und "rbb24"-Recherchen sollen die Täter deutschen "Vätern" aus dem Obdachlosen-Milieu zwischen 500 und 1.500 Euro gezahlt haben, damit diese die Vaterschaft anerkennen. Von den vietnamesischen Müttern hätte die Bande jedes Mal bis zu 35.000 Euro kassiert. Dies sagte der ermittelnde Staatsanwalt Frank Pohle. Der Ermittler sieht darin ein "Phänomen im Milieu der vietnamesisch-stämmigen deutschen Staatsangehörigen" in Berlin.

Bitte um Gesetzesänderung bereits letztes Jahr vorgelegt

In Nordrhein-Westfalen gehen die Behörden davon aus, dass die meisten Personen, die ein dauerhaftes Bleiberecht im Zuge einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung erlangt haben, dauerhaft soziale Transferleistungen beziehen. Das kommunale Jobcenter Wuppertal hat sich deshalb mit einer Warnanzeige an das Landesinnenministerium gewandt.

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:newstime

Bereits im vergangenen Jahr forderten die Innenminister der Länder die Bundesregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf, das geltende Gesetz zur Vaterschaftsanerkennung anzupassen- darunter auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Er will sich auf Personen ohne gültigen Aufenthaltsstatus, die vollziehbar ausreisepflichtig sind oder die ihre Identität noch nicht offenbart haben, fokussieren. Wenn es in solchen Fällen den Verdacht gebe, dass es zu Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung kommen könnte, müsse der Staat schon im Vorfeld die Möglichkeit haben, dies zu unterbinden, betonte der CDU-Politiker.

Das Bundesjustizministerium plant das Gesetz anzupassen

Auf Nachfrage von ARD-"Kontraste" teilte das Bundesjustizministerium in dieser Woche mit, dass ein Gesetzentwurf für ein angepasstes Recht zur Vaterschaftsanerkennung "zeitnah" vorgelegt werden soll. Einen genauen Termin nannte das Ministerium von Marco Buschmann (FDP) jedoch nicht.

Der Behördenzusammenschluss "Sicherheitskooperation Ruhr" (SiKo) in Essen, geht davon aus, dass sich die "jährliche bundesweite Belastung des Steuerzahlers" durch den Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung im Jahr 2017 auf mehr als 150 Millionen Euro belaufen habe. Neuere Zahlen liegen dem Bericht nach nicht vor. 

  • Verwendete Quellen:
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