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Antritt bei Europawahl im Juni

Parteigründung: Bündnis Sahra Wagenknecht geht auf Stimmenfang

  • Aktualisiert: 08.01.2024
  • 08:21 Uhr
  • Michael Reimers

Zweieinhalb Monate nach dem Bruch mit der Partei Die Linke ist es nun so weit: Sahra Wagenknecht gründet am Montag ihre eigene Partei und präsentiert erstmals deren Programm.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) formiert sich am 8. Januar offiziell zur Partei.

  • Mit Spannung wird insbesondere die Vorstellung des Parteiprogramms erwartet.

  • Zur Gründung sollen zunächst 400 bis 500 Mitglieder aufgenommen werden.

Die Parteienlandschaft Deutschlands erhält am 8. Januar 2024 Zuwachs. Sahra Wagenknecht gründet am Montag offiziell das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als Partei und stellt erstmals deren Führungsriege sowie das Programm vor. Bei der Pressekonferenz in Berlin wird unter anderem der frühere Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel auf dem Podium sitzen, der Anfang dieses Jahres nach 40 Jahren Mitgliedschaft aus der SPD ausgetreten ist und bei der Europawahl für die neue Wagenknecht-Partei antreten will. Außerdem ist der frühere Linken-Europa-Abgeordnete Fabio De Masi angekündigt, der ebenfalls als Kandidat für die Europawahl gehandelt wird.

Als eine der beiden Parteivorsitzenden hat Wagenknecht ihre treueste Verbündete vorgeschlagen: die frühere Chefin der Linksfraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali. Die prominente Namensgeberin selbst schließt inzwischen nicht mehr aus, für die angekündigte Doppelspitze des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) zur Verfügung zu stehen. Ob Wagenknecht auch für die Europawahl antritt, hat sie bisher offengelassen.

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Merz über Wagenknecht-Partei: "Braucht in diesem Land niemand"

1,4 Millionen Startgeld für die neue Wagenknecht-Partei

Der erste Parteitag des BSW ist für den 27. Januar in Berlin geplant. Nach dem gemeinsamen Austritt Wagenknechts und neun weiterer Bundestagsabgeordneter im Oktober 2023 aus der Partei Die Linke war das Bündnis Sahra Wagenknecht zunächst als Verein gegründet worden. Bisher seien 1,4 Millionen Euro Startkapital für die Partei gesammelt worden, teilte BSW-Schatzmeister Ralph Suikat dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit.

Wie es hieß, handelt es sich bei etwa 90 Prozent der Spenden um kleinere Beträge. Ein Dutzend Zuwendungen betragen demnach mehr als 10.000 Euro. Insgesamt 12.500 Euro an Spenden stammen dem Bericht zufolge aus dem Ausland, davon weniger als 5.000 Euro aus Nicht-EU-Staaten. Da Kritiker:innen Wagenknecht eine Nähe zu Russland vorwerfen, wurden diese Spenden extra aufgeführt. Mit Bezug aus Russland seien zwei Spenden in Höhe von insgesamt 75 Euro eingegangen, so das RND. Wagenknecht hatte erklärt, es werde akribisch überprüft, dass kein russisches Geld an das BSW fließe.

Das Rechts-Links-Schema kommt da an seine Grenzen.

Parteienforscher Marius Minas

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Erster Antritt des BSW bei der Europawahl im Juni

Die neue Partei will erstmals bei der Europawahl im Juni antreten. Auch bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland im September ist eine Kandidatur geplant. In einer Insa-Umfrage für "Bild" vom Dezember kam das BSW auf bundesweit 12 Prozent. Da die Partei noch gar nicht gegründet und das offizielle Programm unbekannt war, sind diese Umfragewerte jedoch nicht sehr aussagekräftig.

Politisch vertritt Wagenknecht linke Positionen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. So fordert sie etwa eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen. In der Migrations-, Russland- und Gesellschaftspolitik ähneln ihre Forderungen bisweilen denen der AfD. Zur Migration etwa lautet ihre Botschaft: "Deutschland ist überfordert, Deutschland hat keinen Platz mehr, Deutschland ist nicht länger bereit, Destination Nummer eins zu sein."

Wagenknecht selbst bewirbt ihre Partei als "seriöse Adresse" für Wähler:innen der AfD. Eine Zusammenarbeit mit der Rechtsaußenpartei hat sie jedoch ausgeschlossen. Nach eigenen Angaben strebt das BSW Regierungsbeteiligungen an und könnte sich unter Umständen Koalitionen mit der Linken oder der SPD vorstellen. Die Grünen bezeichnete Sahra Wagenknecht hingegen als "gefährlichste Partei" im Bundestag.

:newstime
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Wagenknecht-Partei: Links oder rechts?

"Das Rechts-Links-Schema kommt da an seine Grenzen", sagt der Trierer Parteienforscher Marius Minas. In ökonomischen Fragen sei das BSW eher links, in gesellschaftlichen eher rechts. Es gebe eine Lücke im Parteiensystem, die sie ausfüllen könnte, so Minas. "Ich gehe davon aus, dass die Partei darauf abzielt, sowohl bei der AfD als auch bei der Linken Wähler zu gewinnen, die nicht parteigebunden sind."

Der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Thomas Poguntke sieht eine "Angebotslücke" auch seitens der SPD. "Ihr wird schon eine Weile nachgesagt, dass sie sich zum Teil mehr um die Nicht-Arbeitenden als um die Arbeitenden kümmert. Zudem sagen viele auch auf der Linken, dass der Sozialstaat nur finanzierbar sei, wenn man die Migration in den Griff bekomme." Wagenknecht selbst sagte kürzlich dem SWR: "Ich denke, wir werden die Mitte der Gesellschaft vertreten."

Ich denke, wir werden die Mitte der Gesellschaft vertreten.

Sahra Wagenknecht

Kann Wagenknecht das Momentum für die Landtagswahlen in Ostdeutschland nutzen?

Parteienforscher Poguntke kommt zu dem Schluss: "Unter dem Strich gibt es durchaus ein Potenzial für die Wagenknecht-Partei." Nach einer Insa-Umfrage für "Bild" vom Dezember könnte BSW bundesweit auf 12 Prozent kommen. Doch bleiben Unwägbarkeiten. "Eine Parteigründung in Deutschland ist nicht leicht", sagt Poguntke. "Wer bundesweit antreten will, muss in allen 16 Bundesländern organisiert sein mit Landesverbänden, Statuten, Grundsatzprogramm und so weiter."

Der Zeitpunkt sei günstig, meint der Experte. "Die Hürden für eine neue Partei sind bei der Europawahl niedriger, weil man mit einer Bundesliste antreten kann. Und es gäbe ein Momentum für die Landtagswahlen in Ostdeutschland, das die neue Partei mitnehmen könnte." Profitieren könne das BSW vom großen Unmut über die etablierten Parteien. Auch Wagenknechts Bekanntheit helfe. Doch hat das eine Kehrseite: "Die Partei ist sehr stark auf Frau Wagenknecht zugeschnitten", sagt Poguntke. "Normalerweise brauchen Parteigründungen etwas mehr Breite beim Personal und auch in der Fläche. Es wird interessant zu sehen, ob das funktioniert."

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Personenkult um Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht war nach dem Eintritt in die DDR-Staatspartei SED 1989 jahrzehntelang eines der bekanntesten Gesichter der Folgeparteien PDS und Die Linke. Die studierte Philosophin mit Doktortitel im Fach Wirtschaft gilt als eloquent, klug und kampfeslustig. Sie ist häufig in Talkshows zu Gast und schreibt Bestseller wie "Die Selbstgerechten", in dem sie ihre politischen Vorstellungen umreißt. Dazu zählen: Begrenzung der Migration, Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine und der Energiesanktionen gegen Russland, weitere Nutzung von billigem Gas und Öl, kein Aus für den Verbrennermotor sowie die Abkehr von "vermeintlicher Klimapolitik".

Wagenknecht plädiert für höhere Mindest- und Tariflöhne und bessere Leistungen der Arbeitslosen- und Rentenversicherung, selbst wenn dies höhere Beiträge bedeutet. Der Staat soll ihrer Meinung nach mehr Geld in Bildung und Infrastruktur stecken und dafür die Schuldenbremse lockern sowie Vermögen und hohe Einkommen stärker besteuern.

Während der Corona-Pandemie zeigte sich Wagenknecht skeptisch gegen Beschränkungen und Impfungen. Sie geißelt "Sprachkampf" und "Cancel Culture". "Der moralisierende Linksliberalismus ist längst in einen neuen Autoritarismus gekippt, der totalitäre Züge trägt", schreibt sie in ihrem Buch "Die Selbstgerechten".

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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