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Umstrittene Pläne

Ampel beschließt Haushaltsentwurf 2024 - Drastische Kürzungen geplant

  • Veröffentlicht: 05.07.2023
  • 15:05 Uhr
  • Emre Bölükbasi
Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, wartet auf den Beginn der Sitzung des Bundeskabinett im Kanzleramt.
Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, wartet auf den Beginn der Sitzung des Bundeskabinett im Kanzleramt.© Michael Kappeler/dpa

Die Ampel-Regierung hat ihren Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 beschlossen. Für die Verteidigung ist ein Plus von 1,7 Milliarden Euro eingeplant, während etwa in den Bereichen Bildung, Familie oder Gesundheit kräftig gespart werden soll. Vor allem die Kürzungen beim Elterngeld sorgen für Entrüstung.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Lange wurde über den Bundeshaushalt für 2024 gestritten, jetzt hat das Kabinett den Entwurf gebilligt.

  • Dieser sieht Kürzungen in Höhe von rund 30 Milliarden Euro im Vergleich zum laufenden Jahr vor.

  • In zahlreichen Ministerien soll gespart werden. Vor allem die Kürzungen beim Elterngeld sorgen dabei für scharfe Kritik.

Bildung, Familie, Gesundheit: In all diesen Bereichen müssen die Ministerien künftig finanzielle Kürzungen einstecken. Nach langwierigen Debatten um die Pläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wurde am heutigen Mittwoch (5. Juli) laut der Deutschen Presse-Agentur der Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 vom Kabinett beschlossen.

445,7 Milliarden Euro will der Bund im kommenden Jahr ausgeben. Allerdings sind dies rund 30 Milliarden weniger als in diesem Jahr, das wie seine Vorjahre gezeichnet war von vielen krisenbedingten Ausgaben, vor allem wegen der Corona-Pandemie und der Energiekrise. Nun soll auf einen Einsparkurs umgeschwenkt und die Schuldenbremse eingehalten werden. Ein Überblick über die geplanten Ausgaben und die Reaktionen auf den Entwurf.

Kritikhagel wegen Sparkurs im Sozialbereich

Vor allem die geplanten Kürzungen beim Elterngeld stoßen auf harsche Kritik. Die Lohnersatzleistung, die der Staat zahlt, wenn Eltern nach der Geburt der Kinder zu Hause bleiben, sollen Spitzenverdiener nicht mehr bekommen, sondern nur noch Eltern, die zusammen nicht mehr als 150.000 Euro im Jahr verdienen. Bisher lag diese Grenze bei 300.000 Euro.

Dass ausgerechnet auch bei Pflege oder Elterngeld gespart werden soll, sei "weder sinnvoll noch überlegt", sagte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann laut einer Mitteilung. "Die Ampel hat sich selbst in diese Lage gebracht, weil sie Steuererhöhungen ausschließt und in einem von Krieg und Inflation geprägten Jahr die Schuldenbremse schon für 2023 wieder scharfgestellt hat - das hat die nach der Krise nötigen Spielräume genommen."

Bundeskanzler Olaf Scholz hingegen verteidigt die geplante Kürzung des Elterngelds für Familien mit hohen Einkommen. Über die heutige Einkommensgrenze von 300.000 Euro Jahreseinkommen sagte der SPD-Politiker am Mittwoch bei der Regierungsbefragung im Bundestag: "Das ist sehr, sehr viel." Der Kern bleibe aber, dass mehr Eltern ermutigt werden sollten, Kinder zu bekommen.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ging mit dem Entwurf hart ins Gericht. "Ein Kürzungskurs ist grundsätzlich unnötig, tendenziell unsozial und wirtschaftspolitisch schädlich", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Die Regierung setze mit dem Haushalt ein falsches Signal. Kürzungen drückten direkt die Binnennachfrage und die Wirtschaftsleistung. "Das ist angesichts der aktuellen, prekären konjunkturellen Lage wirtschaftspolitisch kontraproduktiv."

VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Ein starker Sozialstaat ist das Fundament unserer Gesellschaft, wir dürfen nicht zulassen, dass es zu bröckeln beginnt und zerbricht." Sie forderte Nachbesserungen vor allem in den Bereichen der geplanten Kindergrundsicherung sowie bei den Zuschüssen für die Kranken- und Pflegeversicherung. "In Deutschland wachsen drei Millionen Kinder in Armut auf."

Im Video: Haushalt 2024 - Streit um Elterngeld

Haushalt 2024: Streit um Elterngeld

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Arbeit und Soziales

Das mit Abstand meiste Geld wird wie jedes Jahr im Haushalt des Arbeits- und Sozialministeriums bewegt. Knapp 172 Milliarden Euro sollen dafür 2024 bereitgestellt werden, nach gut 166 Milliarden in diesem Jahr. Das ist mehr als ein Drittel des gesamten Haushalts. Allein für die Rentenversicherung werden dem Entwurf zufolge 127 Milliarden Euro Steuergeld bereitgestellt, nach 121 Milliarden in diesem Jahr - der Bund zahlt Zuschüsse an die Rentenkasse und übernimmt auch Beiträge für die Zeit der Kindererziehung. "Die Zuschüsse, Beitragsleistungen und Erstattungen sind unter anderem dadurch gerechtfertigt, dass die gesetzliche Rentenversicherung gesamtgesellschaftliche Aufgaben übernimmt", heißt es beim Arbeitsministerium. Für das Bürgergeld sind im Sozialhaushalt für das nächste Jahr 24,3 Milliarden Euro vorgesehen, nach 23,8 Milliarden in diesem Jahr.

Familie

Das Familienministerium muss im kommenden Jahr mit fast 218 Millionen Euro weniger auskommen. Die veranschlagten Gesamtausgaben liegen bei rund 13,5 Milliarden Euro. Gestrichen wird beim größten Posten des Ministeriums, dem Elterngeld. Die Lohnersatzleistung, die der Staat zahlt, wenn Eltern nach der Geburt der Kinder zu Hause bleiben, sollen Spitzenverdiener nicht mehr bekommen, sondern nur noch Eltern, die zusammen nicht mehr als 150.000 Euro im Jahr verdienen. Bisher lag diese Grenze bei 300.000 Euro. Die Ausgaben für das Elterngeld sind von 7,6 Milliarden im vergangenen auf 8,3 Milliarden Euro in diesem Jahr angestiegen, mit dem Einschnitt sollen 290 Millionen Euro eingespart werden. An den Plänen zum Elterngeld gibt es heftige Kritik.

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Mehrausgaben werden dafür beim Kinderzuschlag eingeplant, den Familien mit geringen Einkommen erhalten. Hier steigen die Kosten von 1,9 Milliarden auf voraussichtlich 2,2 Milliarden Euro im nächsten Jahr.

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Kindergrundsicherung

Mit der geplanten Kindergrundsicherung sollen verschiedene Familienleistungen gebündelt und der Zugang und die Beantragung vereinfacht werden. Anspruchsberechtigte Familien sollen besser erreicht und armutsgefährdete Kinder und Jugendliche besser unterstützt werden. Die Einführung ist für 2025 geplant. Nur: wie viel soll sie kosten? Das ist in der Koalition umstritten. Lindner hat im Finanzplan für 2025 zunächst zwei Milliarden Euro eingestellt, als "Platzhalter". Das ist vor allem aus Sicht der Grünen aber deutlich zu wenig, weil es auch Leistungsverbesserungen geben solle.

Bildung

Der Haushalt des Bildungs- und Forschungsministeriums schrumpft von 21,5 Milliarden Euro 2023 auf 20,3 Milliarden Euro im kommenden Jahr. Das hat zu einem großen Teil auch damit zu tun, dass die 200-Euro-Energiepreispauschale, die in diesem Jahr für Studenten und Fachschüler einmalig aufgelegt wurde und ein Volumen von insgesamt 700 Millionen Euro hat - nächstes Jahr wegfällt.

Aber es wird auch mit weniger Ausgaben im Bereich Bafög gerechnet: Knapp 1,4 Milliarden Euro für Studentinnen und Studenten werden veranschlagt, nach 1,8 Milliarden in diesem Jahr; beim Schüler-Bafög 551 Millionen nach 763 Millionen in diesem Jahr.

Im Bundeshaushalt 2024 mit 500 Millionen Euro vermerkt ist ein aus Sicht der Ampel besonders wichtiges bildungspolitisches Vorhaben, das sogenannte Startchancen-Programm: Damit sollen bundesweit 4000 Schulen "mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler" speziell gefördert werden - mit Geld, aber auch mit zusätzlichen Sozialarbeitern. Es soll zum Schuljahr 2024/2025 starten.

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Gesundheit und Pflege

Nach Ende der akuten Corona-Krise schrumpft der Etat von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Möglich sind noch Ausgaben von 16,2 Milliarden Euro - allein 14,5 Milliarden davon sind schon als üblicher Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung gebunden. Als Sparbeitrag zur Haushaltssanierung fällt ein erst 2022 eingeführter Zuschuss für die Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro weg. Lauterbach machte aber umgehend klar, dass es deshalb keine Leistungskürzungen geben werde.

Konkret soll die Summe nicht in einen Pflegevorsorgefonds als Puffer für künftige Zeiten fließen. Hintergrund ist auch eine gerade erst in Kraft getretene Reform, die jährlich 6,6 Milliarden Euro mehr für die Pflege mobilisieren soll - und zwar durch höhere Beiträge, die seit 1. Juli fällig sind. Damit sollen aber auch Entlastungen für Pflegebedürftige im Heim und zu Hause ab Anfang 2024 finanziert werden. Bei SPD und Grünen reichte das vielen noch nicht. Ohne Aussicht auf mehr Geld aus dem Etat schwinden aber die Chancen auf weitere Verbesserungen. Und mit der Absage an Abstriche bei den Leistungen werden die nächsten Beitragsanhebungen für die Pflege wie für die gesetzlichen Kassen wahrscheinlicher.

Verteidigung

Mit einem Plus von 1,7 Milliarden Euro auf nunmehr rund 51,8 Milliarden Euro sticht der Wehretat inmitten der Kürzungsvorgaben heraus. Über einen echten Zuwachs für 2024 kann sich Minister Boris Pistorius (SPD) aber nicht freuen, denn der Betrag deckt ziemlich genau nur den Bedarf ab, der wegen Tarifsteigerungen nötig wird. Zwischenzeitlich war über 10 Milliarden mehr für die Bundeswehr diskutiert worden.

Umso mehr muss das Versprechen einer voll ausgestatteten und einsatzbereiten Bundeswehr nun aus dem 100-Milliarden-Topf («Sondervermögen») finanziert werden, das für die großen Rüstungsprojekte wie den Tarnkappenjet F-35, mehr moderne Schützenpanzer oder auch sichere Kommunikationswege verplant ist, aber nicht den laufenden Unterhalt deckt. Im kommenden Jahr sollen 19,2 Milliarden Euro aus diesem Topf investiert werden. Erstmals will die Regierung damit auch das Ziel der Nato - zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung - erfüllen.

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Schiene

Der Schwerpunkt der Investitionen im Verkehrsetat liegt laut Entwurf bei der Schiene - das Schienennetz ist teils marode und soll schneller saniert werden. Die Spitzen der Koalition hatten Ende März festgestellt, die bundeseigene Deutsche Bahn benötige zur Deckung des Investitionsbedarfs bis zum Jahr 2027 rund 45 Milliarden Euro. Dieser Bedarf solle "soweit wie finanziell darstellbar" gedeckt werden, im wesentlichen aus Lkw-Mauteinnahmen.

Diese 45 Milliarden Euro werden nicht erreicht, wie es aus Koalitionskreisen hieß. Die Rede war von bis zu 34 Milliarden Euro bis 2027 - das sei aber deutlich mehr als ursprünglich geplant. Die Bundesregierung will außerdem prüfen, ob und inwieweit der Klima- und Transformationsfonds (KTF) - ein Sondertopf neben dem Haushalt - einen Beitrag in Höhe von 15 Milliarden Euro in den kommenden zwei Jahren zur Deckung des Investitionsbedarfs leisten kann.

In den Fonds fließen Milliarden-Einnahmen des Staates aus dem Emissionshandel und der CO2-Bepreisung. Aus dem KTF werden allerdings auch zahlreiche andere Vorhaben finanziert - zum Beispiel auch die Förderung für den Heizungstausch. Über den Wirtschaftsplan des Fonds laufen derzeit noch Verhandlungen.

Der Grünen-Experte Matthias Gastel sagte, der Finanzierungsstau bei der Bahn müsse noch aktiver angegangen werden. Der Verband der Bahnindustrie kritisierte, der Aufbruch für die Schiene falle aus. Es seien deutlich weniger Investitionsmittel für die Modernisierung der Schiene eingestellt, als sie die Spitzen der Koalition verabredet habe.

Straßen und Radwege

Für die Bundesfernstraßen, also Autobahnen und Bundesstraßen, sind rund 12,8 Milliarden Euro vorgesehen, etwas mehr als in diesem Jahr. Davon sollen rund 11,5 Milliarden in Planung, Bau, Erhaltung und Betrieb der Bundesfernstraßen gehen. Rund 263 Millionen Euro will der Bund für die Förderung des Rad- und Fußverkehrs ausgeben - rund 150 Millionen Euro weniger als 2023. Gekürzt werden soll etwa beim Bau von Radschnellwegen.

Wohnen

Der soziale Wohnungsbau soll gestärkt werden, vorgesehen sind 3,15 Milliarden Euro und damit mehr als ursprünglich geplant. Dazu kommen Mittel etwa für die Städtebauförderung.

Regionale Wirtschaftsförderung

Viel Aufregung hatte es um mögliche Kürzungen bei der regionalen Wirtschaftsförderung gegeben - vor allem im Osten. Ziel der "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist es, strukturschwache Regionen zu unterstützen und Anreize zu setzen, um Jobs zu schaffen. Vorgesehen sind nun im Etat für 2024 Mittel von 679 Millionen Euro, das sind sogar 32 Millionen mehr als 2023. Erreicht wird das durch Umschichtungen.

  • Verwendete Quellen:
  • Nachrichtenagentur dpa
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